
Die Zukunft, die nicht stattfand:
Wehrmacht-Panzerprojekte E-50 und E-75 / Standardisierung
Standardisierung auch am Modell möglich. Trumpeter bietet beide Standardpanzerprojekte E-50 und E-75 als Panther bzw. Tiger II Nachfolger im Maßstab 1:35 an - mit Friulmodel-Ketten und einem Infrarot-Scheinwerfer-Set von Great-Wall-Hobby entstehen stählerne Raubkatzen der Außergewöhnlichkeit.
Von: Lothar Limprecht
Fotos, sofern nicht anders angegeben:
Lothar Limprecht
Bereits beim ersten Blick auf beide Bausätze fällt auf, daß Trumpeter mit dem gleichen Ansatz wie das deutsche Heereswaffenamt an die modellhafte Wiedergabe dieser schweren Kampffahrzeug-Projekte heranging. Diese beiden weisen gleiche Komponenten, wie Fahrzeugwanne und Tellerfederlaufwerke sowie Ketten auf. Lediglich die Fahrzeugtürme und die Hauptbewaffnungen sind unterschiedlich. Was lag also näher als auch beide Bausätze gleichzeitig zu bauen. Jedoch stand für mich vor Baubeginn fest, daß sich mindestens einer der beiden auch äußerlich vom anderen noch durch zusätzliche Details unterscheiden sollte.
Im Band 8 der Reihe „Militärfahrzeuge“ über Spezialpanzerfahrzeuge führt Walter J. Spielberger aus, daß mit Ausnahme des E-100 alle Entwicklungstypen der E-Serie über hinten liegende Antriebsaggregate und einfach verzahnte Antriebsräder verfügen sollten. Zudem hätten sich
noch Motor, Getriebe, Lenkgetriebe und Vorgelege im Heck befunden. Die somit äußerlich an der Verzahnung erkennbaren rückwärtigen Antriebsräder fehlen leider in diesen beiden Bausätzen. Stattdessen finden sich die typischen Leitradanordnung, wie sie beim Tiger II üblich waren (1).
Dies verlangte folglich nach mindestens einem Änderungsversuch. Da der Durchmesser der neu zu gestalteten Antriebsräder nahezu die gleiche Größe wie das Bausatz - Leitrad jedoch ohne Zahnkranzes besitzt, wurde ein Zahnkranz eines Panzer IV so verändert, daß er zumindest optisch paßt. (2)! Gleichermaßen stand von Beginn an fest, die doch recht dicken und steifen Vinylketten auch bei höheren Kosten durch Metallketten aus dem Angebot von FriulModel zu ersetzen (3).
Der E-75 Bausatz verfügt zudem nur über ein zweigeteiltes Geschützrohre im Kaliber 8,8cm KwK L/100 aus Spritzguß, nicht jedoch eine 10,5 cm KwK L/52, wie es eigentlich hätte sein müssen. Zudem waren die in meinem Bausatz vorhandenen Bauteile konkav verbogen. Hingegen besitzt der E-50 Bausatz zwei Geschützoptionen davon u.a. eine 8,8 cm KwK L/71, wie sie mehrfach in bekannten Publikationen angesprochen wird – womit die Suche nach geeigneten Metallrohren aus den Zubehörangeboten begann. Der Ersatz war bei der Firma ABER mit der 88mm KwK 43/3 L/71 zu finden. Ein wenig Nacharbeit an der Blende und ohne Mündungsbremse paßt dies ausgezeichnet. Beim E-75 gestaltete es sich schwieriger (4-12).
Einerseits wirkt die doch extrem lange L/100 beindruckend, aber zugleich paßt nur die 10,5cm KwK L/52 in die aufsteigende Kaliberhierarchie bis zur 12,8 cm KwK des E-100. Anhand des Bauteils der 8,8cm KwK L/100 und anhand der 10,5cm KwK des Panzerprojektes VK 7001 „Löwe“ wurden die Maße genommen, selbst gedreht und in zwei Geschützblenden so eingefügt, daß mein E-75 nun zum Kaliber- und Rohrwechsel „befähigt“ wurde (13-14).
Der Zusammenbau beider Panzermodelle E-50 und E-75 geht recht flott und einfach von der Hand, hält man sich strikt an die Bauanleitung und bringt alle Haken, Ösen, Werk- und Schanzzeuge nicht in ihrer Baustufe sondern erst nach Abschluß an. Die Laufräder montiert man übrigens tatsächlich erst dann, wenn die Tellerfederlaufwerke angebracht und der Klebstoff ausgehärtet ist. Man beginnt mit den inneren Laufrollen beider Seiten, um das Laufwerk auszurichten. Bei den Bauteilen B26 (Zugseil für Gleisketten) sind die Seilverschlüsse auf der Rückseite, wodurch eine Eigenkonstruktion nötig wird. Wer sich auf keine Experimente, Nachbesserungen oder sonstige Veränderungen einlassen möchte, sollte vor Beginn der Bemalung nur noch sicherstellen, daß die dem Bausatz beiliegenden kupfernen Abschleppseile sorgfältig zu grundieren sind, denn Kupfer wurde hierzu bekanntlich am Original nicht verwendet. Mein E-75 erhielt zur Gestaltung alles bis auf die Bewaffnung nach Bauanleitung. Die Restesammlung steuerte einen Haltering auf der Kommandantenkuppel bei und ein Fliegerabwehr-MG mit geätztem Fla-Visier war montierbar. Ebenso verhielt es sich mit einer Tiger B –Rohrblende für das L/100 Geschütz und einer Einkammer-
Mündungsbremse für die 10,5 cm KwK. Der E-75 hätte mit seiner mächtigen 10,5 cm KwK oder auch mit der beeindruckend langen 8,8cm KwK L/100 insbesondere in einer von Bewuchs und Bebauung freien Landschaft auf weiteste Entfernung gewirkt. Die unteren Kanten der Turmblende (Bauteil H32) rundet man ab, nur so läßt sich der Turm ungehindert drehen (15-16).
Beim E-50 sollte manches anders werden. Keine Kettenschürzen, dafür eine wirkungsvolle und durchschlagskräftige Hauptwaffe, Flammdämpfer an den beiden Auspuffen und eine komplette Nachtjagdausstattung für Kommandant, Richtschütze und Fahrer. Die Ketten des E-50 wirken damit wie in einer anderen Dimension. Als Flammdämpfer dienten gleichfalls Bauteile aus der Restekiste. Für die Aufnahme des metallenen Geschützrohres der 8,8cm KwK 43/3 L/71 von ABER reicht ein recht geringfügiges Weiten der Geschützblende aus, rückseitig mit Sekundenkleber fixieren (17-18). Um eine Nachtjagdausführung („Sperber“) an einem Panther-Nachfolgefahrzeug auch äußerlich sichtbar zu dokumentieren, wurde das dem Bausatz beiliegende recht einfache IR-Kommandantengerät der frühen Lösung durch das wesentlich besser gestaltete und im Original auch wirksamere IR-System mit MG-Drehring und MG-Lafette von Great Wall Hobby ersetzt. Ebenso erhielten der Fahrer über die Winkelspiegelöffnung und der Richtschütze über die Zielfernrohröffnung im Turm jeweils einen Bildwandler montiert. Der zum Fahrer gehörende IR-Scheinwerfer wurde in der Mitte der Bugplatte angebracht, für den BiWa entstand eine Halterung aus Ätzteilreste. Die Verkabelungen blieben sichtbar und verlaufen ins Fahrzeuginnere. Beim Richtschützen entstanden Halterung, IR-Scheinwerfer und BiWa aus Restbeständen, die vor Jahren dem Tamiya Panther G Bausatz beilagen. Hier würde der Richtschütze folglich über das Fahrzeug-Zielfernrohr als vorgeschaltetes Element die Zielauffassung vornehmen (19-23). Diese Anordnung der dreifachen IR-Ausstattung ist analog jenen wie sie von Anderson, Culver und Feist vertreten werden – und damit auch gerade beim E-50 nur als eine Fiktion gelten können. Als kampfunterstützende
Begleitfahrzeuge wären durchaus schwere Wehrmachtsschlepper als IR-Beleuchtungsfahrzeug „UHU“ und Schützenpanzerwagen der Folgegeneration „Kätzchen“ oder „Büffel“ denkbar.
Um die Drehbarkeit der Türme zu verbessern, ist es angeraten den Turmdrehkranz mit Hilfe eines Graphitstiftes (i.e. Bleistift tut es bekanntlich auch) gleitfähiger zu gestalten (24.1 & 24.2) und dies noch vor der Kolorierung durchzutesten (25).
Tarnbemalung des E-75
Die Tarnbemalung des E-75 nahm ich mehr nach der klassischen Art des bekannten Dreifarbtonanstriches des Wehrmachtstruppenteils Heer vor, jedoch als Grundfarbe in Oliv (RAL6003) und Konturen verwischend mit Längsstreifen in Dunkelgelb (RAL 7028), diese wiederum wurden eingefaßt in schmalere Streifen aus Rotbraun (RAL 8017) (26-30).
26.) Die 3 Bilder oben: E-75, hier mit der 10,5cm KwK L/52 in einem olivgrünen Tarnkleid mit Konturen verzerrenden Querstreifen in Sandbraun und Rotbraun.
27.) Die 4 Bilder oben: E-75, hier mit der 8,8cm KwK 43/3 L/100. Die Tarnbemalung dieses Geschützrohres wurde entsprechend angepaßt.
30.) Die 2 Bilder oben: E-75 mit rastenden Besatzungsmitgliedern.
Tarnbemalung des E-50
Der E-50 hingegen als Nachtjagdversion sollte ursprünglich eine Splintertarnung bekommen, auf die ich jedoch zugunsten einer Farbverlaufstarnung aus Dunkelgrau (RAL 7021) mit leichtem Übernebeln in Oliv (RAL 6003) und helleren Grauflecken aufzulockern trachtete – schließlich sind bekanntlich nachts alle Katzen grau (31- 37)!
31.) Die 4 Bilder oben: E-50 in panzergrau-meliertem fiktiven Tarnanstrich und mit Infrarot-Nachtjagdausstattung.
32.) Die 2 Bilder oben: E-50, dieser Panther-Nachfolger mit seinen wertvollen IR-Ausstattungen darf nicht ausfallen und liegenbleiben, deshalb bekam er die Abschleppseile angebracht.
35.) Die 2 Bilder oben: E-50 mit fiktiven Flammvernichtern auf den Auspuffendrohren.
Keine der beiden Fahrzeuge erhielt eine Kennung, Hoheitsabzeichen oder ähnliches. Dies wäre in den Jahren 1945/46 nicht mehr unbedingt von Nöten gewesen, denn vielerorts wurde bereits nur nach Silhouette bekämpft (38-39).
Fazit, jedes der beiden Modelle ist aus meiner Sicht mit Ausnahme der noch immer recht steifen Ketten ein eigentlich problemfrei zu bewältigender Bausatz, der ein außergewöhnliches deutsches Panzerfahrzeug gelingen läßt. Zugleich laden beide Bausätze dazu ein, mehr aus ihnen zu machen, denn sie stellen eine Zukunft dar, die es nicht gab. Folglich alles ist möglich, nichts verwerfbar.
Die Entwicklungsprojekte der E-Serie sowie Infrarotausstattung
Die deutschen Kampfpanzer waren bis Kriegsende 1945 durch unterschiedlichste Konstruktionen und Technik gekennzeichnet. Das E-Programm wurde entworfen, um die in Produktion stehenden Panzerfahrzeuge zugunsten einer Standardisierung auf Grundtypen zu begrenzen, wodurch erheblichen Einsparungen an dringend benötigten Rohstoffen als auch eine übersichtlichere Ersatzteilversorgung bis hin zu verkürzten Instandsetzungen und Reparaturzeiten bei den Frontverbänden zu erzielen gewesen wäre. Kennzeichnendes Element aller Fahrzeuge der E-Reihe sollten im Fahrzeugheck befindliche Antriebsaggregate (E-100 hiervon ausgenommen) und neue, außenliegenden und innerhalb der Serie austauschbare Federungen sein. Durch den Wegfall der Drehstabfederungen hätte man zu Mehr an Kampfraum, zur stärkeren Bewaffnung und vor allem einer höheren Munitionszuladung kommen können - unabhängig von stabilisierter Feuerkontrolle inklusive Infrarot-Ziel- und Nachtsichtgeräten.
Die Verwendung von IR-Geräten in der Wehrmacht ist recht nebulös. Unzweifelhafte Tatsache aber ist, daß Pz.Kpfw. V Panther mit IR-Beobachtungseinrichtungen ausgestattet wurden. Diese IR-Ausstattung
bestand aus einem IR-Suchscheinwerfer und einem Bildwandler (BiWa) mit deren Hilfe der Kommandant seinen Fahrer und Richtschützen dirigierte. Nach anderen Quellen sollen zur Instandsetzung zurückgeführte Panther mit drei BiWa, je eines für Kommandanten, Richtschützen und
Fahrer, ausgestattet worden sein.
Unvollständige Nachbildung des IR Fahrgerätes (F.G.) 1250 (Tarnname „Puma“) aus der Wehrtechnischen Studiensammlung in Koblenz, bestehdend aus IR-Scheinwerfer und Bildwandler (BiWa). Die Farbe des Glases am Scheinwerfer war im Original nicht blau und wurde mangels Originalglases durch ein im Durchmesser passendes eines Blaulichtfahrzeuges (Polizei / Rettungsdienst) der 50er Jahre ersetzt und müßte eigentlich dunkelrot fast schwarz sein (gem. Stellungnahme der WTS).
Auf einen Blick
German E-50 (50-75tons)/Standardpanzer
Kit: 01536 Maßstab: 1:35 Hersteller: Trumpeter
German E-75 (75-100tons)/Standardpanzer
Kit: 01538 Maßstab: 1:35 Hersteller: Trumpeter
Literaturempfehlung:
„Spezial-Panzerfahrzeuge des deutschen Heeres“ Band 8 der Reihe Militärfahrzeuge, Motorbuch-Verlag (Verfasser: Walter J. Spielberger)
„Der Panzerkampfwagen Panther und seine Abarten“ Band 9 der Reihe Militärfahrzeuge, Motorbuch-Verlag (Verfasser: Walter J. Spielberger)
„Der Panther“, Podzun-Pallas Verlag (Verfasser Thomas L. Jentz) – deutsche Übersetzung von „Germany’s Panther Tank“